Rezension von Prof. Dr. Christoph Raedel

Veröffentlicht im AfeT-Newsletter 4/2019

Markus Till erlebt, wie die Risse innerhalb der evangelikalen Bewegung tiefer werden. Ihm ist es ein Anliegen, „dass wir trotz Meinungsunterschieden lernen, respektvoll und achtsam miteinander zu sprechen“. Sein Buch beginnt mit Blitzlichtern auf den Weg einiger Personen (u.a. Torsten Hebel), die sich aus dem evangelikalen Milieu herausbewegt haben. In drei Kapiteln wird den Gründen für solche Auszugsbiographien nachgegangen: beiderseitige Verletzungen, Vorurteile und Missverständnisse. Till plädiert für eine ehrliche und verständliche Kommunikation, in der Respekt nicht auf Kosten der Wahrheit geht: „Es hilft niemandem, die traditionellen Begriffe beizubehalten, wenn sich die theologischen Inhalte völlig verändert haben.“ (105). Das längste Kapitel ist der Suche nach den Knackpunktthemen in der innerevangelikalen Diskussion gewidmet, als die der Autor das Verständnis vom Handelns Gottes in der Geschichte, von leiblicher Auferstehung, dem Sühnetod Jesu und der Unfehlbarkeit der Bibel identifiziert. Im Schriftverständnis scheiden sich danach die Geister an der Bereitschaft, Sachkritik an der Bibel zu üben oder nicht. Zwei weitere Kapitel entwickeln Überlegungen zur Streitkultur und zur rechten Balance zwischen Enge und Weite. Diese beiden Kapitel sind m.E. die stärksten des Buches. Till zeigt, was er in der persönlichen Begegnung mit Postevangelikalen gelernt hat, argumentiert selbstkritisch und plädiert für einen Dialog auf Augenhöhe. Das Buch löst den darin liegenden Anspruch überzeugend ein. Der eigene evangelikale Standpunkt wird begründet und zugleich anerkannt, dass Fragen der Diskussion unterschiedliches Gewicht haben können. Das Buch des Biologen Till will wissenschaftliche Abhandlungen zu den angesprochenen theologischen Themen nicht ersetzen und kann das auch nicht. Der Versuch, Schneisen in hochkomplexe theologische Fragestellungen zu schlagen, verdient gleichwohl Respekt. Es ist zu wünschen, dass das innerevangelikale Gespräch sich von dem Geist, in dem das Buch abgefasst ist, bewegen lässt. Nur im Dialog wird erfahrbar, was von anderen Christen – sowie von Nichtchristen – gelernt werden kann. Im gemeinsamen Ringen um die Wahrheit können Missverständnisse geklärt werden und Respekt wachsen. Diese Zuversicht will das Buch stärken. Fazit: Eine zum Miteinander einladende Zeitanalyse.

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